EASY LOVE #berlinalekritik
Regisseur Tamer Jandali setzt in „Easy Love“ den Biografien seiner Laiendarsteller*innen ein Denkmal – womit die Probleme seines Kinodebüts schon beginnen. 88 Minuten lang werden die Probleme irgendwelcher Millennials erörtert, aber leider ohne die nötige Distanz, mit der „Easy Love“ zu einem kritischen Portrait von Generation Y hätte werden können
Die Studentin Sophia prostituiert sich. Ihre Freier findet sie via App. Sie macht das, „weil sie ficken will“. Dass sie gleichzeitig damit Geld verdienen kann, sei Beweis ihrer Machtposition, sagt Sophia. Ihre Mutter sieht das alles natürlich anders. Die würde sie lieber in einem normalen Aushilfsjob sehen, deswegen probiert es Sophia in einem Bioladen, aber statt Waren einzuräumen, fingert Sophia lieber Orangen. Lange hält sie es dort nicht aus. Im „scheiß Servicejob wird man viel mehr unterdrückt“, sagt Sophia.

© Janis Mazuch
Sönke ist gerne dominant und schlägt manchmal Frauen beim Sex, wenn es über ihn kommt. Man sagt ja auch „getting physical“, rechtfertigt er sich seinem One-Night-Stand gegenüber, die das Thema am Morgen danach vorsichtig anspricht. Sönke ist nicht an Beziehungen interessiert, bis er sich am Ende natürlich doch verliebt, aber seine Liebe unerwidert bleibt.
Stella und Nic führen eine offene Beziehung. Stella lebt sich aus, Nic akzeptiert das. Aber als dann Nic Sex mit einer anderen hat, fliegen Gläser und fließen Tränen. Stella erklärt weinend und voller Selbstmitleid, dass sie „die Bilder nicht aus dem Kopf kriegt“.
Alles schon mal da gewesen
Jandali hat für seinen Episodenfilm keine Schauspieler*innen, sondern Laiendarsteller*innen gecastet, deren eigene Biografien Inspiration für das Drehbuch waren. Das Problem an „Easy Love“ ist nicht deren schauspielerische Leistung, sondern die triviale Handlung, die vor sich hin plätschernden Dialoge, die Reduzierung einer ganzen Generation auf ihre Klischees. Das echte Leben schreibt in diesem Fall nicht die besten Geschichten und erst recht nicht, wenn die Beschäftigung mit ihnen so oberflächlich ausfällt wie hier.
Den Easy Lovern in „Easy Love“ mangelt es an Originalität, das beginnt beim Namen. Es gibt sowohl die Netflix-Serie „Easy“ als auch die Netflixserie „Love“, die auch beide von der Liebe handeln. Serien wie „Girls“ haben schon vor Jahren die Lebensrealität von privilegierten Millenials entlarvt und Früchte fingert die Multimedia-Künstlerin Stephany Sarley schon seit 2015, aber das ist wohl erst 2019 in Deutschland angekommen.
Wenn Sören eine Frau beim Sex schlägt, soll das wohl provozieren, wenn Sophia mit ihren Schwestern über ihre Freier redet, wohl auch. Jandali lässt seine Zuschauer alleine, bleibt unkritisch und vertut dadurch die Chance, ein Generationenporträt zu zeichnen. Stattdessen kann er es nicht lassen, seine Protagonist*innen zu glorifizieren, verliert jeden Abstand zu ihnen und suhlt sich Slowmotion-Aufnahmen langer Haare und pseudo-schamanischer Tänze.
Easy Love
Sektion: Perspektive Deutsches Kino
Regie, Buch | Tamer Jandali |
Kamera | Janis Mazuch |
Montage | Leonhard Lierzer, Amparo Mejías, Yana Höhnerbach |
Dramaturgie | Sebastian Stobbe, Kirsten Loose, Dorothea Nölle |
Sound Design | Jascha Viehl |
Ton | Juliane Vari |
Regieassistenz | Agnes Karolski, Levin Hübner |
Produzent*in | Lino Rettinger |
Co-Produktion | WDR, Köln |
Der Beitrag EASY LOVE: Orangen fingern im Supermarkt erschien zuerst auf UnAufgefordert - Die Studierendenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin - Informationen über Hochschulpolitik, Campus und Kultur seit 1989..